Eingriff in Grundrechte ?Maßnahmen geben Anlass zur Sorge!
Trotz aller Proteste und Initiativen wurden die neuen Gesetze mit großer Mehrheit in der heute regierenden großen Koalition
verabschiedet. Die langeim Hintergrund getretene Notstandsverfassung musste nie eingesetzt werden: Seit 1949 hat die Bundesrepublik keinen Krieg im eigenen Land, keine gewaltsamen Aufstände und keine
Naturkatastrophe erlebt, die eine Anwendung legitimiert hätten. Und so legte sich die Sorge vor dem Missbrauch der gefährlichen Gesetze, die nach und nach in Vergessenheit gerieten.
Dann kam das Virus.
Stand Juli 2020
Dass wir uns nach dem verheißungsvollen Licht des starken Staates sehnen und darin den Beschützer in der Not suchen, ist nachvollziehbar.
Im Zuge des sich dramatisch ausbreitenden Coronavirus ist dies nicht anders: Politiker, die schnell und entschlossen handeln, werden hochgelobt. Politiker, die abwägen und zögern, werden
kritisiert. Spielen die Bedenkenträger nicht mit dem Leben ihrer Mitbürger? Rechtfertigt die rasche Verbreitung des Virus nicht drastische Maßnahmen? Muss die Bewegungsfreiheit der Bürger nicht
eingeschränkt und direkte Kontaktaufnahme unterbunden werden?
An Instrumentarien zur Beschränkung der allgemeinen und individuellen Mobilität mangelt es den Entscheidungsträgern nicht:Die
Katastrophenschutzgesetze der Länder und das Infektionsschutzgesetz werden bereits angewendet. Versammlungen mit mehr als zwei Personen sind verboten, einige Bundesländer haben umfassende
Ausgangsbeschränkungen verhängt.
Jens Spahn entmachtet im Eilverfahren die Länder und bündelt immer mehr Kompetenzen beim Bundesministerium
für Gesundheit – dem er vorsteht. Aus medizinischer Sicht mögen all diese Maßnahmen notwendig sein, aus demokratischer Sicht geben sie Anlass zur Sorge. Und über alldem schwebt drohend die
Anwendung der Notstandsgesetze als Ultima Ratio.
Nun sind wir heute von den politischen Zuständen der Weimarer Republik weit entfernt. Und dass sich eine Kanzlerin Angela Merkel mittels
Notstandsgesetzen zu einer Autokratin aufschwingt, scheint ausgeschlossen. Eine kritische Analyse staatlichen Handelns ist jedoch gerade in der Krise eine dringende Notwendigkeit. Es ist bestimmt
moralische Pflicht eines jeden mündigen Bürgers. Davon jedoch scheinen sich Teile der Bevölkerung bereits gelöst zu haben. Ministerpräsidenten, die noch keine Ausgangssperren verhängt haben, werden
aufgefordert, genau dies zu tun. Der Ruf nach immer mehr Einschränkungen der individuellen Freiheit ist wohl einmalig in der jüngeren Geschichte dieses Landes.
Es zeigt sich: Angst essen Freiheit auf.Wenn Bürger fordern, die Notstandsgesetze als ultimativen Akt staatlicher Gewaltausübung
in der Corona-Krise anzuwenden, zeigt das, wie locker die Fesseln des Staates heute sitzen. Wenn darüber diskutiert wird, ob man die Telefone der Bürger überwachen sollte, um die Einhaltung von
Ausgangssperren zu kontrollieren, zeigt das, wie schnell wir bereit sind, unsere Freiheit auf dem Altar der Sicherheit zu opfern. Dass diese Maßnahmen juristisch fragwürdig sind, gerät dabei schnell
in Vergessenheit.